Vorlesung Intermetallische Phasen
5. Phasen mit kovalenten Bindungsanteilen (B-B)
5.3 Weitere Verbindungen
Zunächst eine tabellarische Übersicht, welche binären Systeme der
B-Hauptgruppen welche Typen von Phasenbeziehungen zeigen:
Die farbliche Kennzeichnung der Elementkombinationen charakterisisert
jeweils das Schmelzverhalten in den binären Systemen.
Im einzelnen:
- III-III:
Stehen die beiden Elemente im Periodensystem im größeren Abstand, so sind schon die
beiden Schmelzen ineinander unlöslich.
Al-Ga und Ga-In bilden Phasendiagramme mit einiger Randlöslichkeit. Im
System In-Tl treten einige Phasen mit großen Phasenbreiten auf, die einfache
Metallstrukturen ausbilden.
- III-IV Al-Pb und Ga-Pb sind nicht ineinander löslich,
die schwereren Elemente In-Pb bzw. Tl-Pb bilden diverse Phasen mit großer
Phasenbreite.
Die übrige Systeme sind einfach eutektisch oder weisen geringe
Randlöslichkeiten auf.
- IV-IV Si und Ge sind auch im festen Zustand vollständig
mischbar. Silizium und Blei (großer Abstand im PSE) sind in flüssiger
Phase unlöslich. Die übrigen Systeme der Gruppe zeigen einfach
eutektisches Verhalten, z.T. mit geringer Randlöslichkeit.
- III-V
Die Verbindungen mit 1:1-Zusammensetzung kristallisieren in der
Zinkblendestruktur und wurden in Kap. 5.2 besprochen.
Darüberhinaus gibt es in den Bi- und Tl-Systemen metallische
Phasen. Al-Bi und Ga-Bi sind in flüssiger Phase unlöslich.
Im System Bi-In existieren eine Reihe verschiedener Phasen mit
typischen intermetallischen Strukturen z.B.
InBi (verzerrte Po-Struktur), In2Bi (Ni2In-Typ)
und Bi3In5 (Cr5B3-Typ).
Außerdem gibt es eine gewisse Randlöslichkeit
sowie die Phase Bi4In mit tetragonaler Sn-Struktur.
- IV-V Silicium und Bismut sind im Flüssigen unlöslich.
Die übrigen Sb- und Bi-Systeme sind entweder
einfach eutektisch oder zeigen geringe Randlöslichkeiten.
Nur in den As-Systemen tritt überhaupt Verbindungsbildung auf:
SiAs und GeAs kristallisieren im GaTe-Typ
(SiAs und GaTe zeigen eine mittlere VEC von 4.5, d.h. ein
Partner ist (8-4) = 4-bindig, einer (8-5) = 3-bindig, etwa
entsprechend Si0 bzw. Ga- (4-bindig) und
As0 bzw. Te+ (3-bindig).
Bei den schwereren Homologen, z.B. in der Phase Sn4As3
(Stick-and-Ball-Darstellung)
liegen Oktaederschichten aus AsSn6-Oktaedern
(Bi3Se4-Typ) vor:
As ist nur oktaedrisch von Sn umgeben, Sn ist oktaedrisch und 3-fach von As
koordiniert. In der Polyederdarstellung
ist direkt zu erkennen, daß es sich letztlich um eine Defekt-NaCl-Struktur handelt.
Im folgenden soll noch auf die Se- und Te-Verbindungen
der B-Elemente
eingegangen werden. Diese Verbindungen zeigen eine große strukturelle
Vielfalt, sind meist Halbleiter mit schmaler Bandlücke und bilden zugleich
den Grenzbereich zu den kovalenten Verbindungen einerseits (z.B.
P-S-Verbindungen usw) und den Salzen (z.B. Bi-Sulfide) andererseits.
In den folgenden Tabellen ist die Strukturchemie in VRML-Abbildungen
zusammengestellt. Ausgewähle Strukturen sind unten auch als statische Bilder dargestellt.
In den VRML-Bildern ist Se und Te in rot gekennzeichnet,
z.T. sind die Strukturen mit [M(Se/Te)x]-Polyedern dargestellt.
E(III)-Se/Te
Die wichtigsten Verbindungen der Elemente der 3. Hauptgruppe mit
Selen und Tellur sind die mit den Zusammensetzungen AB und
A2B3. Daneben gibt es einige Verbindungen mit
A2B5-Stöchiometrie und Tl- bzw. In-reiche Phasen
mit Clusterstrukturen.
- AB:
Die Verbindungen folgen alle der 8-N-Regel streng, obwohl die Details
der Strukturen sehr verschieden sind. Bis auf TlSe
enthalten die Strukturen stets eine E(III)-E(III)-Bindung, so daß
das Erdmetall hier in tetraedrischer E(III)E(III)E(VI)3
Koordination vorliegt. Selen und Tellur sind in diesen Verbindungen dreibindig.
GaSe
und InSe enthalten gleichartige Schichten in unterschiedlicher
Stapelfolge. In GaTe resultiert
bei gleichen Bauelementen eine Schicht mit vollkommen anderem Aufbau.
Im Unterschied zu den genannten Strukturen ist
TlSe als Tl+ +
[TlSe2]- zu formulieren. Das Anion ist dabei
isoelektronisch zum SiS2 und liegt entsprechend in Form von über
gegenüberliegende Kanten verknüpften
TlSe4-Tetraederketten
vor.
- Die Stöchiometrie A2B3
entspricht den zu erwartenden Ionenladungen mit E(III) der Ladung 3+ und E(VI)
mit der Ladung 2-. Der
Ga2S3-Typ
tritt für Al2Se3 und Ga2Se3 auf und
besteht aus einem Raumnetz aus
[GaSe4]-Tetraedern,
Se ist 3-bindig. Die Struktur kann als geordnete Defekt-Variante der
Zinkblende betrachtet werden.
Tl2Te3
bildet eine komplizierte Schichtstruktur, in der
Tl in psi-trigonaler Koordination vorliegt.
- A2Te5:
Te-reiche Phasen von Ga und In sind bei Ausbildung von Te-Te-Bindungen realisierbar.
Ga2Te5
enthält Tetraederketten GaTe2 wie in SiS2.
Die Te-Atome der Ketten sind über Te in quadratisch planarer
Koordination (Te2-) verknüpft. Die Struktur l"a"st sich also durch
die formal ionische Zerlegung in Te2- und
zwei [Ga-Te+]+-Baugruppen erkl"aren.
In2Te5 enthält Ketten aus
InTe4/3-Tetraedern, die über
Te3-Kettenstücken verknüpft sind (ionische Zerlegung:
In-, Te3/3+, Te0 und Te1/20)
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Ga2Te5 |
In2Te5 |
- Die E(III)-reichen Verbindungen
In4Se3 und
Tl5Se3
lassen sich nicht mehr nach einfachen Z"ahlregeln erkl"aren. In In4Se3
kommt es zur Oktett"uberschreitung, die Tl-Verbindung enth"alt Cluster aus Tl-Oktaedern,
über deren Flächen Se-Atome lokalisiert sind (gr"une Polyeder).
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In4Se3 |
Tl5Se3 |
E(IV)-Se/Te
e
E(IV)-Se/Te | Selen-Verbindungen | Tellur-Verbindungen |
Verbindung | Strukturtyp | Verbindung | Strukturtyp |
Si |
SiSe2 |
SiS2 |
SiTe2 |
CdI2 |
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Si2Te3 |
statistische Pos. |
Ge |
GeSe2 |
GeSe2 | |
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GeSe |
GeS |
GeTe |
GeS |
|
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GeTe |
NaCl |
Sn |
SnSe2 |
CdI2 |
|
|
SnSe |
GeS |
SnTe |
GeS |
SnSe (HT) |
CrB |
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Pb |
PbSe |
NaCl |
PbTe |
NaCl |
PbSe (HP) |
GeS |
PbTe (HP) |
GeS |
Auch bei den Seleniden und Telluriden der Elemente der 4. Hauptgruppe
gibt es zahlreiche Verbindungen mit sehr unterschiedlichen Zusammensetzungen
und Strukturen:
- AB2: Die Si-Verbindungen dieser Zusammensetzung
kristallisieren im SiS2-Typ, bestehen damit aus
kantenverknüpften SiS4-Tetraedern.
In GeSe2 finden sich dagegen Tetraederdoppel,
die über Ecken weiter verknüpft
sind.
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SiS2-Typ |
GeSe2 |
- Verbindungen der einfachen AB-Zusammensetzung
(IV-VI-Verbindungen) sind isoster zu den Elementen der 5. Hauptgruppe und
zeigen entsprechende Strukturmerkmale, d.h. sie sind als Überstrukturen der
grauen As- (GeTe)
bzw. der Pschwarz-Struktur (GeSe, SnSe) anzusehen.
Bei den schwereren Homologen wie z.B. SnTe, PbSe und PbTe kommt es zur
Oktettaufweitung und es liegt der NaCl-Typ vor (Te und Pb jeweils
oktaedrisch vom anderen Verbindungspartner koordiniert).
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GeSe |
E(V)-Se/Te
Die Se- und Te-Verbindungen der Pentele (Elemente der 5. Hauptgruppe)
bilden den Übergang zu aus der Molekülchemie bekannten Baumustern.
Molekulare Einheiten finden sich z.B. in
As4Se4
und As4Se3.
Die Struktur von As2S3
As2Te3
(in Polyederdarstellung)
enthalten Doppelketten aus Oktaedern,
außer über trig. verknüpft.
Sb2Se3
Die Schichtstruktur von Sb2Te2
besteht gemäß
4 Schichten wie As = (SbTe)4)4+ und 1* reine
Sb-Schicht + 2 Te2-.