Chemie der Metalle
Übergangsmetall-Halogenide
Übersicht
In der folgenden Zusammenstellung sind alle Übergangsmetallhalogenide
nach Oxidationsstufen schematisch zusammengefaßt:
**** tm_halogenide_neu.ps *****
Die Betrachtung dieser Verbindungen gibt nochmals die Gelegenheit,
die wichtigsten Oxidationsstufen der einzelnen Metalle und eine Reihe
bereits bekannter wichtiger Sturkturtypen zu wiederholen.
Damit wird der Anschluß und der Vergleich zur Hauptgruppenmetallchemie
(ähnlicher Verlauf der (Struktur)Chemie bei gleicher Oxidationsstufe)
hergestellt und zugleich wichtige Unterschiede zwischen Haupt- und Nebengruppenelementen
aufgezeigt. Die Verbindungen selber sind fast ausschließlich nur von akademischem
Interesse.
Allgemeines
Die Halogenide sind im Folgenden - wie in der Einleitung zu den Übergangsmetallen gezeigt
- nach Oxidationsstufen geordnet. Zu den jeweils möglichen Oxidationsstufen siehe auch die
Übersicht in Kap. 8.
- Die maximalen Oxidationsstufen werden meist nur bei den frühen und den späten Übergangsmetallen
und dann oft nur bei den Fluoriden (z.B. OsF7, IrF6) erreicht.
- Bei Oxidationsstufen kleiner als vier liegen meist echte Salze (z.B. AgF, AgCl,
CdCl2) mit den entsprechenden physikalischen Eigenschaften wie z.B. hohe Schmelzpunkte vor.
- Typische Molekülverbindungen sind die Halogenide mit hohen Oxidationsstufen (größer als 4).
Z.B. handelt es sich bei Verbindungen wie OsF6 oder CrF5 um relativ leicht
sublimierbare Festkörper.
- Der Charakter der Verbindung ist dabei im Unterschied zu den Hauptgruppen-Halogeniden
nicht von der Elektronegativität abhängig (diese in ja bei den Nebengruppenelementen
ingesamt sehr ähnlich), sondern hängt entscheidend von der Verknüpfung/dem
Verknüpfungsgrad der Koordinationspolyeder um die Kationen (KKP = Kationenkoordinationspolyeder)
ab. Welches KKP jeweils auftritt, ist dabei primär vom Ionenradienverhältnis abhängig.
Wie schon bei der Komplexchemie der Übergangsmetalle gesehen, überwiegt dabei die
oktaedrische Koordination (CN 6), einerseits weil die Ionenradienverhältnisse
Kation/Halogenid im CN 6-Bereich liegen, zum anderen aber auch, weil
bei einer ganzen Reihe von Übergangsmetallkationen bei Ausbildung oktaedrischer Koordination
eine große Ligangenfeldstabilisierungsenergie (LFSE) zur Gitterenergie beiträgt.
Auch 'ausgefallene' Koordinationszahlen und -geometrien (z.B. quadratisch planar oder linear)
sind (wie in der Komplexchemie) auf d-Elektronen-Einflüsse zurückzuführen.
- Die Fluoride unterscheiden sich oft von den restlichen Halogenide (s.a. Pnicogene!).
Sie sind meist salzartig, die 3. Paulingsche regel gilt streng und es werden eher
Raumnetze (d.h. reine Eckenverknüpfung) als Kanten- oder gar Flächenverknüpfung ausgebildet.
- Allgemein sinkt mit dem Halogen-Gehalt der Verknüpfungsgrad der MXn-Polyeder.
Für die Strukturen und Symbole in der obigen Abbildung gilt:
- Metallhalogenide MX, MX2 und MX3 kristallisieren überwiegend in
den von den Hauptgruppenmetallen bekannten Strukturtypen.
Es kommen nur einige wenige neue Strukturen (z.B. Cluster der frühen Übergangsmetalle) hinzu.
- Ab MX4 ergibt sich eine neue Strukturvielfalt, da bei den Hauptgruppenmetallen
nur selten Oxidationsstufen größer als 4 vorkommen.
In der Schemadarstellung sind nur die Strukturelemente wiedergegeben.
Die Verbindungen und die häufigsten Strukturtypen der Übergangsmetallhalogenide
nach Zusammensetzung (d.h. Oxidationsstufe des Übergangsmetalls)
mit den wichtigsten Verbindungen (bzw. Hinweise auf die bekannten Hauptgruppenmetallhalogenide):
- MIX:
Bei den Übergangsmetallhalogenide der einwertigen Metallen
sind die wichtigste auftretenden Strukturtypen (im folgenden geordnet nach der Koordinationszahl von M)
bereits von den Alkalimetall-Halogeniden bzw. Erdalkalimetall-Oxiden bekannt:
- Der NaCl-Typ (CN = 6), der in der Hauptgruppenchemie z.B. bei allen
Alkalimetall-Halogenide vorliegt, kommt bei den Übergangsmetallhalogeniden
nur bei AgF, AgCl und AgBr vor. Das Chlorid (Mp 455 oC ist als
weißser, schwerlöslicher Niederschlag aus der analytischen Chemie bekannt.
Die Silberhalogenide sind sämtlich lichtempfindlich, die Zersetzung zu elementarem
Silber ist ein wichtiger Prozess in der konventionellen Fotografie.
- Der Zinkblende-Typ (ZnS) (CN = 4) ist bei den Hauptgruppenverbindungen relativ
selten. BeO und MgTe (aber keine Halogenide!) sind die wenigen bekannten Hauptgruppenmetallverbindungen,
die in diesem Strukturtyp kristallisieren.
Diese Struktur wird von den sämtlich schwerlöslichen Cu-Halogeniden (aber: CuF ist unbekannt)
gebildet. Diese Verbindungen können durch Symproportionierung
von Cu(II)- und Cu(0)-Verbindungen dargestellt werden:
CuX2 + Cu ----> 2 CuX (X=Cl, Br, I)
Außerst interessant ist die Struktuchemie von AgI. Die Verbindung ist dimorph, sie geht bei
Temperaturen oberhalb von 146 oC von einer beta-
(Zinkblende-Struktur) in eine alpha-Form über. Letztere ist ist ein Ag-Ionenleiter, in
dem die Iodid-Ionen ein b.c.c.-Gitter ausbilden und die Ag-Ionen statistisch über 24
verschiedene Positionen verteilt sind. Diese extreme Statistik führt zu Ag-Ionenleitfähigkeit,
es liegt quasi ein 'geschmolzenes' Ag-Untergitter vor. (VRMLs hierzu fehlen noch!!)
- Als weitere MI-Halogenide bzw. verwandte Verbindungen sind zu nennen:
- Scandium bildet nichtstöchiometrische Chloride MX<2 mit komplizierter Strukturchemie.
- Quecksilber bildet molekulare Halogenide wie z.B. Hg2Cl2.
Die weisse Verbindung bildet faserige Kristallle aus Cl-Hg-Hg-Cl-Molekülen (dHg-Hg=254 pm),
die bei 383o sublimieren. Der Name 'Kalomel' (gr: schön + schwarz)
kommt von der Farbe des Produktes, das bei der Reaktion mit Ammoniak entsteht:
Hg2Cl2 + NH3 ----> Hg + Hg(NH2)Cl
Die anderen Hg(I)-Halogenide sind isotyp.
- Ebenfalls aus der Komplexchemie nicht unerwartet, bestehen die Monohalogenide (X=F unbekannt)
von Gold aus ..-Au-Cl-Au-.. Ketten mit linearer Koordination am Gold und gewinkelter
Umgebung am Cl (VRML).
AuI entsteht bei der Reduktion von Au3+ mit Iodid:
Au3+ + 3 I- -----> AuI + I2
- MX2
- CaF2 :
für M mit großem und X mit kleinem Ionenradius: CdF2 und HgF2
- Rutil bei Fluoriden: (V-Zn)F2, AgF2
- CdCl2 Dichloride von Fe, Co, Ni, Cd
- CdI2 (Ti-Cu)(Br/I)2, Cd(Br/I)2
- PdCl2 und PdBr2
- PtBr2 und PtCl2
- HgI2 (gelbe Form)
- HgI2 (rote Form)
- AuCl2 Moleküe Au[AuCl4]
- eckverknüpfte Cluster in Mo6Cl12 : grün: Mo-Oktaeder; Cl (gelbe
Kugeln) über allen Flächenmitten und Ecken des Oktaeders
- AgF2
- Die Strukturchemie der häufgisten Dihalogenide MX2
(nach CN von M) zeigt viele Gemeinsamkeiten mit den Erdalkalimetall-Halogeniden:
- Der CaF2-Typ (CNM = 8; CNX = 4)
der z.B. bei den Hauptgruppenmetallen bei den Fluoriden von Ca, Sr und Ba
vorkommt, wird auch bei den Übergangsmetallen nur bei Fluoriden, d.h. bei kleinem X und mit großem M
befunden, z.B. bei CdF2, HgF2.
- Bei den Strukturtypen mit der Koordinationszahl 6 für das Metallkation gibt es
drei wichtige Grundtypen: Bei 'harten' Anionen (F-) werden
Raumnetze (Rutil-Typ), bei weichen Anionen (Cl- usw.) die
Schichten des CdI2- bzw. CdCl2-Typs gebildet.
- mit F-: Raumnetze Rutil (6), CNX = 3
HG: CaCl2, SrBr2 (verzerrt)
fast alle Fluoride der 3d-Reihe
z.B. CuF2 (farblos, verzerrte Oktaeder, d9, Jahn-Teller)
- Im CdI2-Typ (CNM=6, CNX=3)
kristallisieren die HG-Metall-Iodide MgI2 und CaI2.
beim TM vor allem Dibromide und -iodide
z.B. TiX2 (schwarz, starkes Reduktionsmittel)
z.B. VCl2, VBr2, VI2 (starke Reduktionsmittel, nur unter Inertgas stabil)
- Der CdCl2-Typ (6) (ebenfalls CNM=6, CNX=3)
MgCl2 die meisten Dichloride
Die Halogenide der zweiwertigen Übergangsmetalle sind meist für alle X bekannt.
Z.B. sind alle Verbindungen der Reihe NiX2 typische Ionenkristalle mit hohen Schmelzpunkten:
- NiF2 (gelb, Mp. 1450 oC)
- NiCl2 (gelb, Mp. 1000 oC)
- NiBr2 (gelb, Mp. 963 oC)
- NiI2 (braun, Mp. 797 oC)
- Weitere Verbindungen und Strukturen, die alle nur bei Übergangsmetallen auftreten, da ihre Stabilität
wieder von d-Elektroneneinflüssen abhängt:
- PdCl2 Ketten kantenverknüpfter Quadrate
- auch für PdBr2
- große LFSE bei d8 (quadr. planar, s. Komplexchemie)
- PtBr2 Cluster mit Pt-Oktaedern
- auch für $PtCl_2$
- Oktaeder aus Pt, X über allen Kanten
- Pt planar quadr. koordiniert
- alpha-ZnCl2
- Schichtstruktur aus ZnCl6-Oktaedern (eigener Typ)
- ZnF2 und ZnCl2 als Holzschutzmittel = Gift für Mikroorganismen)
- Hg
- HgCl2 lineares Molekül, auch im FK
- in H2O löslich, sehr giftig
- Mp: 280oC
- davon abgeleitet: Chlorokomplexe:
- [Hg_2Cl_6]^{2-} (2 Quadrate über Kante)\\
- [HgCl_4]_x^{2-} (Ketten aus kantenverkn. Oktaedern)\\
- HgI2 dimorph
- außer Molekülstruktur von HgCl2 (im Dampf)
- rote Form (Tetraeder-Schichten entspr. HgI4/2
HgI2 (rot, Tetraeder) --> 127^oC --> HgI2 (gelb, Molekül)
- davon abgeleitet: Iodokomplexe: (Neßlers-Reagenz)
K2[HgI4] (Nachweis von NH3 --> [Hg2N]I (orangebraun)
- d8 und d9-Systeme:
- AuCl2 = AuI[AuIIICl4] = Au4Cl8
- Moleküle: AuI linear, AuIII quadratisch planar
s.a. GaCl2 = GaI[GaIIICl4]
- AgF2
- Schichten mit Ag2+ (d9, in quadratisch planarer CN
- thermisch sehr beständig
- Cluster: [M6X8]X4-Typ (nur Cluster als VRML)
- z.B. Mo6Cl12
- abgeleitet: niedervalente Nb-Halogenide
- MX3
- MX3 wichtigste Typen (s. Erdmetall-Halogenide)
alle CN 6 (Oktaeder)
Ordnung: zunehmende Oktaederverknüpfung: Ecken -- Kanten -- Flächen
wie bei MX2 Raumnetze mit F (Eckenverknüpfung)
weichere Cl,Br = Schichten (Kantenverknüpfung)
I = auch Ketten (Flächenverknüpfung)
- Raumnetze: allseits eck-verknüpfte Oktaeder
- ReO3
HG: AlF3
- Fluoride der frühen TM z.B. ZrF3, TaF3
- VF3
HG:
Fluoride der mittleren Übergangsmetalle (Mn, Fe, Co, Ru)
z.B. VF3 grüner, wasserunlöslicher FK, unzersetzt sublimierbar
- Schichten: (alle CN 6) kantenverkn. Oktaeder
- CrCl3 Cl f.c.c., 1/3 der OL schichtweise gefüllt
HG: AlCl3
NG: häufig bei Trichloriden der 4d und 5d Reihe
z.B. CrCl3 (Mp: 1152, schuppig, rotviolett)
z.B. FeCl3 (wie AlCl3, im Dampf dimer)
- BiI3:} I h.c.p., 1/3 der OL schichtweise gefüllt
HG: -
Trihalogenide der 3d Reihe
- Ketten: (alle CN 6) flächenverkn. Oktaeder
- ZrI3
HG: -
NG: Chloride, Bromide und Iodide von Zr, Hf; Ru, Os
mit M-M-WW (Paarbildung in der Kette)
- Sonstige:
- planare Koordination aufgrund von LFSE (d8-Systeme mit schweren Elementen)
AuCl3 planares Molekül:
auch bei AuBr3 und AuI3
AuF3 geschraubte Ketten 61 aus planar koordiniertem Au
- Clusterbildung bei niedrigen OS der 5. und 6. NG, Ausbildung von M-M-Bindungen
- Re3X9: 2 Oktaeder, über Fläche verknüpft
- W6Cl18 = isolierte Cluster
(grün: W-Oktaeder; Cl (violette Kugeln) über allen Kantenmitten und Ecken des Oktaeders)
- Nb3Br8 Cluster mit Nb-Dreiecken
aber über Kanten verkn. -> verzerrte BiI3-Struktur
- MX4
- CN 4: Tetraeder
- CN 6: Schichten eckverkn. Oktaeder
- CN 6: kantenverkn. Oktaeder
- MX4 (Symbole = kleine Buchstaben)
- t = CN 4: Tetraeder (frühe-TM: Kation klein, Anion (Cl-I) groß
- Cr(Cl/Br/I)4
- V(Cl/Br)4
- Ti(Cl/Br/I)4: TiI4:
Bedeutung bei Reindarstellung von Ti nach van Arkel:
TiI4 --> 1200^oC} --> 600^oC --> Ti + I2 (\Delta H_O = + 376 kJ/mol)
TiCl4 ist eine farblose, rauchende Flüssigkeit, die mit
H2 zu TiO2 hydrolysiert (Weißpigmentherstellung!).
Technisch wichtige Derivate sind die Ester vom Typ Ti(OR)4.
- o = CN 6 + Schichten eckverknüpfter Oktaeder
NbF4 (schwarz, nicht flüchtig)
- k = CN 6 + kantenverkn. Oktaeder
Bildung von M-M-Bindungen (paarweise) (analog Clustern bei MX3
z.B. NbX4, TaX4
- Sonstige:
- ReCl4: Re2Cl9 (Oktaeder über Fläche verkn.)
diese weiter über Cl verknüpft
- MX5 (alle nur CN 6) (Symbole: große Buchstaben
- D: Dimere kantenverkn. Oktaedern
- Ketten eckverkn. Oktaeder MX4X2/2
- Tetramere aus eckenverkn. Oktaedern M2X10
NbCl5, TaCl5 und entspr. Bromide (sublimierbare FK, hydrolyseempfindlich)
ReCl5
VF5 (weiß, Mp 19 oC)
ReF5
T Tetramere eckverkn. Oktaeder [MX4X2/2]4
- [(Rh/Ir)F5]4
- [PtF5]4
- [AuF5]4 (roter FK, bei 200oC Zers. in AuF3 + F2
- MX6 CN 6 = Oktaeder
CN 6: Oktaeder
höhere OS fast nur noch mit F: isolierte Oktaeder
Im Einzelnen:
- MX7 siehe Komplexe mit CN 7
Im Einzelnen:
- ReF7 (gelb, Herst. aus Elementen, flüchtiger FK
- OsF7 (instabil, Zerfall bei $>$ 100 $^oC$